Chatbots und Voicebots wie KOMMI aus Baden-Württemberg können in Kommunen die Verwaltung entlasten. ©Komm.ONE
Es ist kein Zufall, dass der Innovationswettbewerb „Digitale Orte“ in diesem Jahr erstmals Projekte in der Kategorie „Smarte Kommune“ ausgezeichnet hat. Denn die digitale Weiterentwicklung steht in vielen Gemeinden weit oben auf der Tagesordnung, wie die Smart Country Convention vor wenigen Wochen erneut gezeigt hat. Beim Roundtable von Deutsche Glasfaser und dem Netzwerk Junge Bürgermeister*innen wurde klar: Es mangelt in Deutschland an der flächendeckenden Umsetzung der Digitalisierung – einzelne Kommunen stellen sich ihren Herausforderungen jedoch mit smarten Lösungen und verknüpfen sie immer häufiger zu einer digitalen Strategie.
Der diesjährige „Digitale Orte“-Gewinner SMARTinfeld beispielsweise erweitert sein System ständig um neue Use Cases und nutzt datenbasierte IoT-Lösungen sehr vielfältig. Die Gemeinde Martinfeld im thüringischen Landkreis Eichsfeld setzt auf LoRaWAN-Funktechnologie, um die Straßenbeleuchtung intelligent zu steuern, die Luftqualität zu messen oder freie Parkplätze auszuweisen. Die Bürger:innen haben auch die Möglichkeit, Wetterdaten und die Pegelstände des Flusses anzusehen – solche Features liefern dann auch Gesprächsthemen im Dorf. Jan Bose, CEO des an der Entwicklung beteiligten Unternehmens Alpha-Omega Technology, sagte dazu am Rande des Wettbewerbs: „Ich würde mir wünschen, dass die Digitalisierung in Deutschland mehr ‚open-minded‘ ist, dass wir etwas ausprobieren und dann bewerten, ob es richtig oder falsch ist. Wir diskutieren leider eher über Probleme, nicht über Möglichkeiten.“
Wie Martinfeld setzen viele kleine Gemeinden auf LoRaWAN-Netze, um digitale Anwendungen vor Ort umzusetzen. Linz am Rhein nutzt die Technologie für eine Personenzählung in der Innenstadt und für die Baumbewässerung. Auch Projekte wie FutureForest oder das Hochwasserschutzsystem 4.0 des Wupperverbandes sammeln Daten über Sensoren in LoRaWAN-Netzwerken. Häufig kommt für die Auswertung anschließend KI zum Einsatz.
Vorhandene Daten für die Weiterentwicklung nutzbar zu machen: Darum geht es Kommunen, die ganze digitale Zwillinge ihrer selbst erstellen. Neue Möglichkeiten schafft das nicht nur in der Stadtentwicklung, sondern auch für Anpassungen, die in Zusammenhang mit dem Klimawandel nötig werden – und bei der Bürgerbeteiligung. Susanne Schreiber, Baubürgermeisterin der Stadt Herrenberg, fasst die Vorteile des ‚digital twin‘ so zusammen: „Der digitale Zwilling enthält einen unglaublichen Schatz an Daten. Von all diesen Datensätzen in der Plattform und ihren Anwendungsmöglichkeiten bekämen die Bürgerinnen und Bürger aber nichts mit, wenn wir nicht einen weiteren Vorteil des digitalen Zwillings nutzen würden: Auf Grundlage der Daten entstehen 3-D-Animationen, in denen man sich mit VR-Brille fortbewegen kann. Das ist ein Erlebnis.“
Auch die Stadt Kempten im Allgäu setzt auf die Daten des digitalen Zwillings, um Bürger:innen Stadtentwicklungspläne zu präsentieren. „Wir wollen eine technische Plattform aufbauen, damit sich Bürgerinnen und Bürger zeit- und ortsunabhängig informieren und beteiligen können – nach Feierabend, wenn Fachämter bereits geschlossen haben“, sagt Sandro Mertens, Leiter der Stabsstelle Digitale Stadtentwicklung. „Trotzdem war uns die analoge Begegnungsstätte im Zukunftslabor sehr wichtig, weil sie den persönlichen Austausch ermöglicht. Als Stadt versprechen wir uns, dass sich die Akzeptanz für Projekte der Stadtentwicklung erhöht. Erst durch eine 3D-Animation bekommt man einen realistischen Eindruck.“
Die Kommunikation mit den Bürger:innen steht bei einer weiteren aktuellen Entwicklung klar im Vordergrund: Einige Gemeinden haben bereits ihre eigenen Voicebots oder Chatbots entwickelt, um Fragen schneller beantworten zu können. So haben sich in Baden-Württemberg Kommunen zusammengetan, um ihre Sachbearbeitung mit Künstlicher Intelligenz zu entlasten und den Bürger:innen einen besseren Service zu bieten. Entstanden ist daraus KOMMI, ein Voicebot, der eigenständig Fragen beantworten soll. „Verwaltungsassistenten mit Expertenwissen, die sich in vielen Fachbereichen auskennen, wird man damit nicht komplett ersetzen können“, betont Peter Wöhrle, Bereichsleiter bei Komm.ONE, die das Projekt entwickelt hat. „Wenn es aber beispielsweise darum geht, die richtigen Informationen rauszusuchen, können solche Systeme sehr hilfreich sein. Voraussetzung ist aber, dass sie ganz speziell auf die Inhalte der öffentlichen Verwaltung trainiert werden.“
In Bad Oeynhausen beantwortet seit diesem Jahr der Chatbot Colon Sültemeyer, benannt nach dem Entdecker der ersten örtlichen Solequelle, Bürgeranfragen. „Wenn der Chatbot nicht weiterweiß, kann man uns eine Nachricht schreiben, auf die wir auch reagieren. So vermeiden wir, dass sich die Bürgerinnen und Bürger zweimal bei uns melden müssen. Schließlich wollen wir das Anfragemanagement für beide Seiten erleichtern“, sagt Patrick Höwener, Digitaler Lotse im Bereich Finanzen. Unterhalten kann sich der Chatbot dank Anbindung an die KI-Lösung DeepL in 24 Sprachen. In Abstimmung mit dem Bürgerbüro wurden besonders häufig genutzte Fremdsprachen wie Rumänisch, Türkisch oder Polnisch in der Auswahlleiste nach vorne gezogen.
Eine solche mehrsprachige – und damit niedrigschwellige – Lösung für Verwaltungsanfragen steckt auch in einem der Finalistenprojekte „Smarte Kommune“ des diesjährigen Wettbewerbs „Digitale Orte“. Das bayerische Balderschwang hat die Software „Dahuim Anmelden“ eigens für die zahlreichen Saisonarbeitskräfte entwickelt, die im Bürgerbüro ihren Wohnsitz anmelden wollen. Diese können die Formulare jetzt digital in ihrer Landessprache ausfüllen und müssen alle Angaben nur einmal machen. Das spart Zeit und verbessert die Datenqualität.
Viele Gemeinden setzen ihre Digitalprojekte im Verbund mit anderen Gemeinden um. Oft sind die Kommunen bereit, ihre datenoffen erstellten Ergebnisse zu teilen. Und einige Anwendungen werden gezielt in einer Region entwickelt, um sie als Standard oder Vorbild für ganz Deutschland auszurollen. Das geschieht aktuell mit dem digitalen Bauantrag. Der Lösung aus Mecklenburg-Vorpommern haben sich zehn andere Bundesländer angeschlossen. Die übrigen sind bereits dabei, eigene Systeme zu etablieren.
Eine solche Entwicklung „einer für alle“ funktioniert auch in anderen Bereichen der Verwaltung. Smarte Kommunen können davon profitieren und ihre Digitalisierungsvorhaben schneller umsetzen.