Flächendeckende medizinische Expertise im Virtuellen Krankenhaus.- Digitales Bürgernetz

Das Virtuelle Krankenhaus: Spezialistenwissen in die Fläche bringen

#Gesundheit 28. September 2022

Das Virtuelle Krankenhaus (VKh.NRW) ist eine digitale Plattform, die ÄrztInnen in ganz NRW durch Telekonsile mit hochspezialisierten FachärztInnen vernetzt. © https://virtuelles-krankenhaus.nrw/

Seltene Erkrankungen bringen Betroffene und das Gesundheitssystem oftmals in Bedrängnis. Während sich bei vielen Betroffenen die ersten Symptome schon im Kindesalter zeigen, haben sie oft einen langen Leidensweg hinter sich, bis die Krankheit diagnostiziert und damit gezielt behandelt werden kann.

Von einer seltenen Erkrankung spricht man, wenn weniger als einer von 2.000 Einwohnern betroffen ist. Hier offenbart sich das Problem für die andere Seite: Viele Haus- und KinderärztInnen haben schlichtweg nicht die Möglichkeit genug Erfahrungen zu sammeln, um die richtige Diagnose sicher stellen zu können.

Spezielle Zentren für seltene Erkrankungen sind rar gesät, oft weit entfernt und stark ausgelastet. Aber was wäre, wenn man das dort vorhandene Know-how digital zu den ÄrztInnen bringen könnte, die eine solche Krankheit vermuten oder PatientInnen mit seltenen Erkrankungen optimal bei sich vor Ort – in der Stadt oder auf dem Land – behandeln wollen?

Mit virtuellen Konsilen Expertenwissen verfügbar machen

Genau diesen Weg geht das Land Nordrhein-Westfalen mit seinem Virtuellen Krankenhaus (VKh.NRW). Die Plattform vernetzt ÄrztInnen in ganz NRW mit hochspezialisierten FachärztInnen, und zwar durch Telekonsile. Mehr als 150 Krankenhäuser mit entsprechenden Fachzentren sind bereits über Nutzungsverträge an das VKh.NRW angeschlossen, und die weitere Anbindung läuft auch Hochtouren. Dazu gehören beispielsweise auch die Zentren für Seltene Erkrankungen der Universitätsklinik Bochum oder des Universitätsklinikums Münster. HausärztInnen, die sich für das Netzwerk registriert haben, können dann ein Telekonsil mit einem dieser Zentren anfragen, wenn sie eine seltene Erkrankung vermuten oder behandeln müssen.

Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch bei besonders komplexen Behandlungssituationen, heimatnahe Behandlung der PatientInnen, eine effizientere Nutzung ärztlicher Ressourcen und größere Entscheidungssicherheit für die behandelnden ÄrztInnen sollten damit erreicht werden. Die seltenen Erkrankungen sind dabei nur ein Bereich von bisher insgesamt vier, in denen Konsile ermöglicht werden können. Hinzu kommen Covid-19, respektable Lungentumore und therapierefraktäre Herzinsuffizienz. „Bei allen Indikationen handelt es sich um Fachbereiche, in denen hochspezialisiertes Expertenwissen erforderlich ist, das in ausgewiesenen Fachzentren gebündelt ist”, betont Nadja Pecquet, Geschäftsführerin des Virtuellen Krankenhauses.

Sensible Daten sicher teilen

Natürlich setzen Telekonsile, in denen persönliche Belange der PatientInnen besprochen werden, eine angemessene digitale Infrastruktur voraus. Das Virtuelle Krankenhaus verspricht teilnehmenden ÄrztInnen die Einbindung der Telekonsile in die bestehenden Organisations- und IT-Strukturen im Rahmen einer gesicherten technischen Infrastruktur und geprüften datenschutzrechtlichen Nutzungsbedingungen. Um auch sensible Dokumente im Rahmen der Konsile austauschen zu können, hat das VKh.NRW die Elektronische Fallakte (EFA) integriert. Sie beinhaltet alle relevanten Befunde, Röntgenbilder, OP-Berichte, Therapiepläne etc. und trägt dem Datenschutz unter anderem dadurch Rechnung, dass PatientInnen den ÄrztInnen Zugangsberechtigungen erteilen müssen und die Daten nicht zentral, sondern nur bei den jeweiligen ÄrztInnen, gespeichert werden.

Geboren in der Pandemie, rasant den Kinderschuhen entwachsen

Entstanden ist die Vermittlungsplattform genau zu Beginn der Corona-Pandemie. Um besonders die intensivmedizinische Versorgung digital zu vernetzten, wurde über die Universitätskliniken Aachen und Münster eine Vorstufe des Virtuellen Krankenhauses geschaffen. Seit Ende März 2020 wurden innerhalb von zwei Jahren fast 600 an Covid-19 erkrankte Patientinnen und Patienten in mehr als 3.700 Telekonsilen versorgt. [https://virtuelles-krankenhaus.nrw/die-telemedizinische-vernetzung-von-krankenhaeusern-in-nordrhein-westfalen-hat-sich-bewaehrt/] Die weiteren Behandlungsgebiete kamen im Laufe dieser zwei Jahre hinzu.

 

„Die Covid-19-Vorstufe des Virtuellen Krankenhaus hat auf beeindruckende Weise gezeigt, dass Telemedizin in der Intensivmedizin einen großen Nutzen für Patientinnen und Patienten hat. Mit der Überführung dieser Leistungen in die Regelversorgung ist nun sichergestellt, dass schwersterkrankte COVID-19-Patientinnen und -Patienten auch weiterhin mit aller verfügbaren Expertise optimal versorgt werden – an dem für sie optimalen Ort“, sagte Prof. Dr. Alex W. Friedrich [https://virtuelles-krankenhaus.nrw/die-telemedizinische-vernetzung-von-krankenhaeusern-in-nordrhein-westfalen-hat-sich-bewaehrt/], Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Münster, zum zweijährigen Bestehen der virtuellen Plattform.

Von politischer Bedeutung, vom Land finanziert

Die Virtuelles Krankenhaus NRW gGmbH ist die gemeinnützige Trägergesellschaft des VKh.NRW und eine hundertprozentige Tochter des Landes Nordrhein-Westfalen. Das zeigt bereits, dass das Land die telemedizinische Versorgung nicht als „Nice to Have“ sondern als hoheitliche Aufgabe betrachtet. Denn die bessere medizinische Versorgung, vor allem des ländlichen Raums, steht auf der politischen Agenda.

Auch NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann bestätigte im April 2022, dass sich das Virtuelle Krankenhaus bewährt hat: „Patientenversorgung muss ortsnah stattfinden. Der Wohnort eines Menschen darf nicht darüber entscheiden, wie gut jemand versorgt wird. Dafür haben wir ein hervorragend aufgestelltes Gesundheitssystem. Über das Virtuelle Krankenhaus Nordrhein-Westfalen stellen wir die Spitzenmedizin unserer Zentren flächendeckend zur Verfügung.“ Gleichzeitig wurde das VKh.NRW im neuen Krankenhausplan für NRW als sinnvolle Erweiterung bestehender Versorgungsstrukturen und als Basis für den Ausbau einer nachhaltigen und digitalen Patientenversorgung aufgeführt.

Im Juni dieses Jahres bekannte sich auch die neue Landesregierung im NRW-Koalitionsvertrag zum weiteren Ausbau des Projekts. „Die Grund- und Notfallversorgung muss weiterhin flächendeckend wohnortnah verfügbar sein. Hierfür werden wir u. a. jegliche Art der digitalen Versorgung – wie das Virtuelle Krankenhaus, die telemedizinische Versorgung und den Telenotarzt – ausbauen und uns dafür einsetzen, dass sie Bestandteil der Regelversorgung werden“, heißt es in der Vereinbarung von CDU und Bündnis 90/Die Grünen.

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