Digitale Daten in Kleinstädten nutzen - Digitales Bürgernetz

Nutzung digitaler Daten: „Die Möglichkeiten sind fantastisch!“

#zuHause 6. Juni 2023

Mücheln in Sachsen-Anhalt geht neue Wege in der Stadtentwicklung. Foto: Stadtverwaltung Mücheln

Wie können Wohnen und Mobilität in Kleinstädten durch die Digitalisierung verbessert werden? Das war die Kernfrage des Projekts „Reallabor Stadtentwicklung – Wohnen gestalten im Wandel von Digitalisierung und Mobilität“ im Rahmen der Pilotphase der Kleinstadtakademie. Steffen Keller, Leiter des Bauamts der Leitkommune Mücheln in Sachsen-Anhalt, berichtet von den Ansätzen und Ergebnissen.

Herr Keller, wie kam es dazu, dass sich Mücheln an diesem Projekt beteiligt hat?

Bereits 2015 hatten wir uns für ein Projekt für Kleinstädte in peripheren Lagen, also im Einzugsgebiet von Großstädten, beworben und wurden als eine von acht Städten in Deutschland dafür ausgewählt. Schon im Rahmen dieser Initiative wurde klar: Kleinstädte brauchen mehr Aufmerksamkeit. Sie bilden die Lebensgrundlage für rund 40 Prozent der Bevölkerung und sind daran gemessen auf der politischen Agenda unterrepräsentiert. So entstand die Idee der Kleinstadtakademie.

Das Projekt Reallabor Stadtentwicklung hat uns also interessiert, weil wir hier schon Erfahrungen hatten und weil wir der Ansicht sind, dass viele demografische Daten, die in den statistischen Landesämtern gesammelt werden, leider weitgehend ungenutzt bleiben – und das obwohl wir mit demografischen Herausforderungen wie Abwanderung, alternde Bevölkerung und Strukturwandel zu kämpfen haben. Wir wollten einen Weg finden, diesen Datenschatz dazu zu nutzen, uns als Standort wieder attraktiver zu machen.

Was genau wurde im Rahmen dieses Modellvorhabens umgesetzt?

Gemeinsam mit der Hochschule Merseburg haben wir eine Open-Source-Anwendung entwickelt, um die in der Kommune vorhandenen Daten zu analysieren und zu visualisieren. Die Hochschule war ein wichtiger Partner, weil wir dafür junge, dynamische Köpfe brauchten, die uns bei der IT-Umsetzung unterstützen. So haben wir über sechs Semester mit den dortigen Studiengängen Wirtschaftsinformatik und Wirtschaftswissenschaften zusammenarbeitet, aber auch die Bürgerinnen und Bürger eingebunden, zum Beispiel über Umfragen.

Entstanden ist eine Datenbank, die Daten aus dem Einwohnermeldeamt – natürlich alles datenschutzkonform – mit der visuellen Darstellung meines Stadtgebiets verknüpft. Dabei werden Anschriften, Straßen und gemeldete Personen anonymisiert in eine Karte der Stadt eingebaut, die damit Auskunft über die demografische Situation gibt.

Porträt Steffen Keller
Steffen Keller leitet das Bauamt in Mücheln Foto: Stadtverwaltung Mücheln

Wofür können die Kommunen diese Anwendung nutzen?

Die Möglichkeiten sind fantastisch! Ich kann die demografische Entwicklung in meiner Stadt sauber darstellen und sehe dadurch, welche Schwerpunkte ich bei der Stadtentwicklung setzen muss. Ich kann ganze Straßenzüge abrufen und sofort sehen, welche Häuser bewohnt, welche unbewohnt sind, wo ich Leerstände habe, wo ganze Blöcke nur noch von älteren Menschen bewohnt werden – ohne draußen herumzufahren und mühsam Listen zu erstellen. Dadurch kann ich ableiten, wo welche Angebote – von Bushaltestellen und Nahversorgung bis zu Spielplätzen und Kindergärten – nötig und wo sie überflüssig sind. Außerdem ist die Darstellung der Gebäude in 3D mit Dachformen möglich. Diese Anwendung kann zur Erfassung und Beratung für Solaranlagen dienen.

Aber es geht noch viel weiter. In Verbindung mit LoRaWan-Technologie und Sensoren kann ich messen, welche Spielplätze, Radwege oder Busverbindungen überhaupt genutzt werden und auswerten, wo ich mehr Angebote schaffen muss – sogar in die Zukunft gerechnet. Man könnte selbst die Bodenfeuchte im Stadtgebiet in der Karte darstellen lassen, sodass das zuständige Amt genau weiß, wo es überhaupt gießen muss und wo nicht.

Wie geht es jetzt weiter?

Ich hoffe sehr, dass die Träger der Kleinstadtakademie genauso von der Anwendung überzeugt sein werden wie wir. Die Akademie wäre eine gute Plattform, um das Tool den Gemeinden zur Verfügung zu stellen und sie bei der Nutzung zu unterstützen. Ich bin neulich auf eine Workshopreihe beim Kompetenzzentrum Stadtumbau gestoßen, in der es um die digitale Entwicklung zu Smart Cities in Sachsen-Anhalt ging. Das hat mir unseren Erfolg noch einmal bestätigt, denn dem, was dort vermittelt wurde, sind wir mit unserer Lösung Jahre voraus. Wir sehen mit einem Blick Dinge, die zu erkennen, zuvor gar nicht möglich war. Ich bin begeistert und freue mich sehr darauf, die Ergebnisse zum Abschluss der Pilotphase der Kleinstadtakademie vorstellen zu können.

Über das Projekt Reallabor Stadtentwicklung

Abwanderungsbewegungen und eine zunehmende Überalterung der Bevölkerung verlangen von Kleinstädten attraktive Angebote in den Bereichen Wohnen und Mobilität, um ihre Position als Wohn- und Wirtschaftsstandorte zu sichern. Gemeinsam erforschten die beteiligten Kommunen Mücheln (Geiseltal) (Sachsen-Anhalt), Laucha an der Unstrut (Sachsen-Anhalt), Bad Lobenstein (Thüringen), Rodewisch (Sachsen), welche Möglichkeiten die Digitalisierung dabei bietet. Durch den Verbund wurde eine Datenbank aufgebaut, die demografische Bestandsdaten mit Geobasisdaten zusammenführt. Die Daten werden nach spezifischen Indikatoren analysiert, wodurch Bedürfnisse und Ansatzpunkte in den Kleinstädten sichtbar gemacht werden können. Weitere Informationen unter www.kleinstadtakademie.de.

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