Digitalisierung und Nachhaltigkeit - Digitales Bürgernetz

Beschleuniger: So könnte uns die Digitalisierung Nachhaltigkeitszielen näherbringen

#Gemeinschaft 15. April 2024

Digitalisierung hat laut Studien einen positiven Einfluss auf den Klimaschutz. ©gettyimages

„Junge Menschen hoffen auf Technologien gegen den Klimawandel.“ Das meldete der Digitalverband Bitkom Anfang April in einer Pressemitteilung. Anlass war eine Umfrage dazu, ob sich der Klimawandel mithilfe von Technologien verlangsamen oder stoppen lässt: 57 Prozent der unter 30-Jährigen bejahten die Frage. Mit zunehmendem Alter der Befragten nahm die Hoffnung auf rasche technologische Lösungen zwar ab – dennoch war sich eine große Mehrheit von 73 Prozent einig, dass die Folgen des Klimawandels ohne Digitalisierung nicht zu bewältigen seien. „Energieeffizienz, Klimaschutz und die Dekarbonisierung hängen untrennbar mit der Digitalisierung zusammen“, betont Bitkom-Nachhaltigkeits-Experte Niklas Meyer-Breitkreutz. „Wir müssen alle digitalen und technologischen Möglichkeiten ausschöpfen, um unsere Klimaziele zu erreichen und den Klimawandel abzumildern. Dafür müssen Technologien, die klare Vorteile für Klima und Umwelt gegenüber traditionellen Verfahren haben, zügig in die Fläche gebracht werden.“

Digitalisierung und Nachhaltigkeit gehören zusammen

Der Bitkom beschäftigt sich bereits seit Längerem mit diesem Zusammenhang. So fand am 10. April 2024 bereits zum zweiten Mal der Digital Sustainability Summit in Berlin statt. Dort diskutierten Vertreter:innen aus Politik, Wissenschaft und Digitalbranche, wie die Digitalisierung zur Erreichung der Klimaschutzziele beitragen kann. Wenige Wochen zuvor hatte der Digitalverband eine neue Studie zu den Klimaeffekten der Digitalisierung veröffentlicht. Sie untersucht, wie stark sich die CO2-Reduktion beschleunigen muss, um die deutschen Klimaziele zu erreichen – und ob digitale Technologien helfen könnten, das Tempo anzuziehen. Das Ergebnis: Der CO2-Ausstoß in Deutschland für das Jahr 2030 könnte um rund 73 Millionen Tonnen geringer ausfallen, wenn die Digitalisierung beschleunigt wird. Bei der bisherigen Digitalisierungsgeschwindigkeit wären es im Jahr 2030 Einsparungen von rund 50 Millionen Tonnen CO2.

„Die Digitalisierung kann fast ein Viertel zu Deutschlands selbstgesteckten Klimazielen im Jahr 2030 beitragen“, sagt Bitkom-Vizepräsidentin Christina Raab.

„Mit der Digitalisierung besitzen wir einen starken Hebel, um die CO2-Emissionen deutlich zu senken und gleichzeitig unsere Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Je ambitionierter der Einsatz digitaler Technologien vorangetrieben wird, desto größer sind die Einsparungen.“

Besonders große Beträge für den Klimaschutz könnte die Digitalisierung laut Studie in den Bereichen Gebäude, Energie und Landwirtschaft leisten.

Hier helfen digitale Technologien der Nachhaltigkeit auf die Sprünge

Es gibt Beispiele dafür, dass digitale Technologien helfen, den CO2-Ausstoß zu senken – etwa das Forschungsprojekt GreenTwin. Es entwickelt eine KI-gestützte, dezentrale Markplatzplattform, um die Logistik insbesondere in ländlicheren Regionen effizienter zu organisieren.

„Hinter der Plattform steht ein digitaler Zwilling, der die komplette Region mit all seinen Akteuren, Händler und Einkaufende, abbildet“, erläutert Jens Schneider vom Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier. „Basierend auf den Daten simuliert der digitale Zwilling mithilfe Künstlicher Intelligenz verschiedene Szenarien und leitet daraus Empfehlungen für die Verbraucher ab. Über den Markplatz können die Verbraucher erfahren, wo sie das, was sie brauchen, am besten bestellen. Indem das System mehrere Händler verknüpft und die Einkäufe bündelt, erreichen wir, dass die vielen Einzelfahrten durch Lieferverbünde ersetzt werden. Ergänzend dazu planen wir Smart Hubs, also Container, die in Dörfern stehen sollen, wo man Dinge des täglichen Bedarfs bekommt und wo man Bestellungen abholen kann. Ziel ist es, die Prozesse so effizient wie möglich zu steuern, damit zum einen der CO2-Ausstoß sinkt, und zum anderen die Menschen gut versorgt sind.“

Becken einer Kläranlage, umgeben von Bäumen
In den Belebungsbecken von Kläranlagen entstehen schädliche Lachgase. Ein spezielles Messsystem ermittelt die Menge der Emissionen. Diese Daten sind Voraussetzung dafür, Kläranlagen künftig effizienter steuern zu können. © Variolytics

Ebenfalls um die Reduktion von Klimagasen – genauer: Lachgas – geht es dem Verbundprojekt „Künstliche Intelligenz für klimaneutrale Kläranlagen“.

„Lachgas gehört zu den Treibhausgasen und ist rund 300-mal klimaschädlicher als CO2. Schätzungen gehen davon aus, dass die in Kläranlagen entstehenden Emissionen von Lachgas rund zwei Prozent der globalen CO2-Äquivalenten-Emissionen ausmachen. Damit stoßen Kläranlagen ähnlich viel Treibhausgase aus wie die Luftfahrtindustrie“, sagt Dr. Matthias Stier vom Start-up Variolytics.

Das klimaschädliche Gas ist dabei nur eine Begleiterscheinung in Kläranlagen und entsteht eher im Winter als im Sommer, wenn es sogar emissionsfreie Phasen gibt. „Letztendlich geht es darum, den Bakterien die exakt richtige Menge an Sauerstoff zur Verfügung zu stellen. Und da kommt die KI ins Spiel: Mit den Daten, die wir über einen Zeitraum von einem Jahr sammeln, trainieren wir ein Künstliches Neuronales Netzwerk und erstellen einen digitalen Zwilling der Kläranlage. Damit können wir den gesamten Prozess simulieren und sind in der Lage, den optimalen Prozesszustand zu ermitteln. Entsprechend lässt sich die Sauerstoffzufuhr steuern.“

KI kann auch dabei helfen, Wälder für den Klimawandel stark zu machen. Das Projekt FutureForest möchte datengestützte Entscheidungen ermöglichen. „Selbst Förster, die sich seit vielen Jahren um Wälder kümmern, kommen an ihre Grenzen, bei der Frage, welche Baumarten auch in 20 Jahren noch die richtigen für einen bestimmten Ort sind“, sagt Projektkoordinator Dr. Somakanthan Somalingam. „Darüber hinaus geht es für die Forstwirtschaft darum, zu entscheiden, wo der Waldumbau besonders dringlich ist und wie der Umbau so durchgeführt werden kann, dass der Wald eine hohe Biodiversität aufweist, einen wirtschaftlichen Ertrag sicherstellt und seine Klimafunktion erfüllt. Bei all diesen Fragen stellen datengestützte Lösungsansätze eine wichtige Entscheidungshilfe dar.“

Viele Kommunen nutzen mittlerweile Geodaten, um digitale Zwillinge oder Konzepte gegen den Klimawandel zu entwickeln. „Dabei geht es vor allem um die vier Phänomene Starkregen, Hochwasser, Hitze und Dürre – und natürlich um die Frage, wie sich die Wälder und die Vegetation in den nächsten Jahren vor Ort konkret verändern, wenn wir nichts unternehmen“, erklärt Dr. Stefan Ostrau, Digitalisierungsbeauftragter im Kreis Lippe. „Geodaten sind für Kommunen ein unverzichtbares Instrument zur Bewältigung zentraler Zukunftsaufgaben. Sie spielen eine Schlüsselrolle in verschiedenen Bereichen wie Mobilität, Klimafolgenanpassung und integrierter Stadtentwicklung.“

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