Landinventur - Digitales Bürgernetz

Leben auf dem Dorf: Die „Landinventur“ zeichnet ein alltagsnahes Bild

#Gemeinschaft 9. Mai 2023

Eine digitale Plattform ist das zentrale Werkzeug der Landinventur © Screenshot: https://landinventur.de/search

Es gibt viele Vorurteile über das Land. Wie das Leben dort wirklich ist, wissen die wenigsten, auch Statistiken erfassen Daten oft nicht „dorfgenau“. Deshalb hat das Thünen-Institut für Regionalentwicklung das Bürgerforschungsprojekt „Landinventur“ initiiert, bei dem die Einwohner selbst ihre Dörfer unter die Lupe nehmen. Zentrales Element ist eine digitale Plattform, mit deren Hilfe Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner ihre Heimat neu vermessen können.

Inhalt

„Die Idee der Landinventur ist […], andere Daten als bisher über die Dörfer zu sammeln, darzustellen und einen neuen Blick auf das eigene Dorf mit seinem Alltag, den Schwierigkeiten und Potenzialen zukünftiger Entwicklung zu ermöglichen“, schreiben Eleonore Harmel vom Thünen-Institut und ihre Kolleg:innen in einem Beitrag der Zeitschrift LandInForm. „Das Projekt fußt dabei auf einem bürgerwissenschaftlichen Ansatz: Die Leute selbst sind die Experten für ihr Dorf.“

Datengrundlage für gezielte Zukunftsplanung

Die Menschen vor Ort spielen von Anfang an eine große Rolle bei der Landinventur. Als sie 2017 in Mecklenburg-Vorpommern startete, fuhr das Projektteam zunächst mit einem Bus durch die Dörfer, um zu erfahren, was den Menschen wichtig ist. Die Ergebnisse bildeten die Grundlage für einen Fragebogen, mit dem die Informationen zum Landleben bis heute gesammelt werden. Über die digitale Plattform zum Projekt kann jede und jeder mitmachen – zudem führt das Projektteam die Landinventur vor Ort durch. In sogenannten Dorfwerkstätten kartiert es gemeinsam mit den Einwohner:innen zunächst die Dörfer und nutzt die über die Plattform erhobenen Daten dann als Grundlage für weitere Diskussionen. „Dadurch lassen sich konkrete Projekte fundiert vorbereiten, dorfgenaue Daten und detaillierte Einblicke für größere Planungs- und Entwicklungsprozesse erheben und neue Ideen für die Entwicklung des ländlichen Raumes gezielter umsetzen“, heißt es auf der Projektseite der Landinventur.

Gruppe von Menschen an einem Tisch auf großer Wiese
Wie sieht das Leben auf dem Land wirklich aus? Die Menschen vor Ort wissen das am besten. © gettyimages

Ein Blick hinter die klassische Statistik

Im Mittelpunkt der Landinventur stehen die Themenbereiche Leben, Ernten, Wirtschaften und Engagement. 19 Fragen können die Teilnehmer:innen dazu beantwortet. Das Besondere an ihnen ist, dass sie darauf abzielen, tiefer als die üblichen Statistiken zu blicken. Bei der Zahl der Einwohner:innen geht es zum Beispiel nicht um die offiziellen Zahlen, sondern unter anderem darum, wann die Bewohner:innen vor Ort sind – ob regelmäßig oder nur am Wochenende, nur abends oder den ganzen Tag. Beim Thema Engagement fragt die Landinventur nicht nur nach offiziellen Vereinen, sondern auch danach, wo die Menschen sich treffen. Immer wieder zeichnen die Daten ein anderes Bild als in den üblichen Statistiken. So schreibt Julia Senft im eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft etwa zum Ehrenamt „Ein Drittel des Engagements findet nicht in eingetragenen Vereinen statt, sondern wird von Einzelpersonen oder losen Gruppen getragen. Diese ehrenamtliche Arbeit, welche besonders in ländlichen Räumen wesentlich ist, fällt aus den offiziellen Ehrenamtsstatistiken heraus und meist auch durch das Raster der Förderstrukturen.“

Die Ergebnisse einer jeden Inventur werden in anschaulichen Grafiken visualisiert. Sie können Grundlage für konkrete Projekte und Zukunftskonzepte sein. „Viel wichtiger ist es jedoch, die Menschen direkt an diesen Prozessen zu beteiligen und darüber mit ihnen in die Diskussion über Zukunftsperspektiven zu kommen“, betonen die Initiatoren der Landinventur auf der Projektseite.

Die Landinventur und wer dahintersteckt

Die Landinventur ist ein gemeinsames Projekt des Thünen-Instituts für Regionalentwicklung, studio amore und des Vereins „Neuland gewinnen“. Das Projekt wurde von 2017 bis 2019 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Bereich Bürgerwissenschaften und Wissenschaftskommunikation gefördert. Anschließend wurde es ehrenamtlich weitergeführt, seit 2021 ist die „Deutsche Stiftung für Ehrenamt und Engagement“ Projektpartner. Im Rahmen des Programms „Engagiertes Land“ wird die Landinventur zur Begleitung der geförderten Netzwerke eingesetzt, weiterentwickelt und deutschlandweit zur Verfügung gestellt. Daneben bietet das Team der Landinventur die Durchführung von Dorfwerkstätten bzw. Prozessen als Dienstleistung für Kommunen, Regionen oder LEADER-Arbeitsgruppen an. Wer Interesse hat, kann über info@landinventur.de Kontakt aufnehmen.

Nicht nur bei der Landinventur spielen die Bürger eine wichtige Rolle. Die Laienforschung – auch Citizen Science genannt – profitiert seit einiger Zeit von den vielfältigen Mitmach-Möglichkeiten, die mit der Digitalisierung einhergehen. Mehr dazu lesen Sie hier in unserem Blog-Beitrag.

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