Ländlich ist eine neue Art von cool - Digitales Bürgernetz

„Ländlich ist eine neue Art von cool“

#Gemeinschaft 29. Oktober 2021

Kunstort Lehnin: Aus leerstehenden Gebäuden und Produktionsstätten werden Kreativorte für Kunst und Kultur, Bild: LIK Kunstort Lehnin

Die Digitalisierung verändert das Leben auf dem Land. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Think Tanks Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung und der Wüstenrot-Stiftung aus dem Frühjahr 2021. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben darin 56 Projekte, Initiativen und Netzwerke im ländlichen Raum untersucht. Sie wollten herausfinden, ob und wie Coworking Spaces, neuartige Unternehmensnetzwerke und Start-ups, digitale Kreativorte oder gemeinschaftliche Wohnprojekte das Landleben beeinflussen. „Insbesondere für entlegene Regionen ist das eine Chance, Menschen zurückzugewinnen, die in den letzten Jahrzehnten in die Ballungsräume gezogen sind, oder sogar bislang überzeugte Städter anzuziehen“, resümiert Catherina Hinz, Direktorin des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Den 56 untersuchten Projekten gelingt das auf unterschiedliche Art und Weise. Ihnen allen ist gemein, dass sie ohne eine digitale Infrastruktur nicht zustande gekommen wären.

Die Mischung macht’s

Die Studie macht deutlich, dass es die Mischung aus urbanen Ideen und der Verwurzelung im ländlichen Raum ist, die Projekte erfolgreich werden lässt. Hier vereinen sich Inspirationen, die Einheimische aus Aufenthalten in Städten mitbringen, mit der Sehnsucht der Großstädter nach dem Freiraum auf dem Land. Wenn sie dann noch auf Aktive im ländlichen Umfeld treffen, die schon lange hier leben und sich engagieren, kann aus Ideen neues Leben wachsen, das alle beflügelt.

Digitalaufsland
Im Kunstdepot Lehnin wird eine Ausstellung eingerichtet, Bild: LIK Kunstort Lehnin

Aus Bedürfnissen werden Tatsachen

Der Mangel an Kontakt- und Kulturangeboten lässt die Menschen auf dem Land kreativ werden und neue Orte für das Zusammenleben und Arbeiten schaffen, die ihren Bedürfnissen Rechnung tragen. Diese Räume nutzen sowohl Alteingesessene als auch Zugezogene und Menschen, die nur vorübergehend bleiben.

Ein Beispiel dafür ist der Kunstort Lehnin. Das Institut für Kunst und Handwerk e.V. baute ein ehemaliges Sägewerk am Klostersee und das umliegende Gelände zu einem Ort für Kunst und Arbeit aus. Mit Ateliers, Werkstätten, Seminarräumen, einem Gästehaus und einem Skulpturenpark bietet der Kunstort Lehnin Raum für Kreative aus dem In- und Ausland und zieht regelmäßig Gäste und Besucherinnen an.

Ein weiteres Beispiel ist der Musikhof Annahütte: In dem kleinen Lausitzdorf kauften die Berliner Architekten Simon Breth und Rut de la Calle 2016 einen leerstehenden Bahnhof und bauten ihn in Eigenregie zum Rückzugsort für Musiker um, inklusive Ferienwohnungen und Studio. Bands aus Berlin oder Leipzig können sich dort seither für einige Tage oder Wochen einmieten, proben oder ihr neues Album einspielen. Zugleich vernetzen sich die Gründer mit der lokalen Kulturszene – und sind mittlerweile mit Familie sogar ganz nach Annahütte gezogen.

Diese Entwicklung habe Corona zwar etwas durcheinander gebracht, aber insgesamt eher befeuert, befindet die Studie. Denn wesentlich mehr Unternehmen haben sich einem flexibleren Arbeiten geöffnet, was für viele der Projekte eine Grundlage ist. Etwa für das Netzwerk Smart Doerp, in dem sich Coworking-Spaces im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern zusammengeschlossen haben. Es bietet Digitalarbeitsplätze in malerischer Kulisse, etwa in historischen Guts- und Herrenhäusern, und versinnbildlicht damit eines der Schlüsselergebnisse der Studie: „Die Neuerfindung des ländlichen Raums hat begonnen“, so heißt es im Fazit.

7 Tipps für Kommunen

Gemeinden, die sich auf den Weg machen möchten, finden in dieser Studie eine umfassende Inspirationsquelle. Sie enthält neben den 56 Projekten aus dem gesamten Bundesgebiet, deren Beispiel gern gefolgt werden darf, viel grundlegendes Wissen, ein Glossar und konkrete Handlungsempfehlungen. Sieben Dinge legen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ländlichen Kommunen dabei ans Herz:

  1. Neugierig und offen sein
  2. Temporäre Angebote nutzen und Neues einfach mal ausprobieren
  3. Sich von anderen Kommunen inspirieren lassen
  4. Mit vorhandenen Mitteln unterstützen und selbst Mittler sein
  5. Innovationen und digitale Möglichkeiten selbst nutzen
  6. Potenzielle Nutzer in die Planung miteinbeziehen
  7. Leerstand aktiv für neue Nutzungen vermarkten.

Schnelles Internet ist die Grundlage für den Wandel

„Nur dort, wo schon ein schnelles Kabel in der Erde liegt, werden sich in Zukunft neue Arbeitsorte, Kreativorte und Wohnprojekte ansiedeln“, heißt es im letzten Kapitel der Studie. „Sowohl für diejenigen, die schon immer auf dem Land leben, als auch für diejenigen, die aus der Großstadt wegziehen, gehört eine schnelle Datenleitung inzwischen zu den wichtigsten Kriterien bei der Wohnortwahl.“ Deswegen müsse ein Breitbandanschluss und zukünftig noch besser ein Glasfaseranschluss so selbstverständlich sein wie der Anschluss an Strom- und Wasser.

„Ländlich ist eine neue Art von cool“, sagte ein Interviewpartner während der Studie. Und das gilt mit Sicherheit überall dort, wo sich eine schnelle Internetverbindung, Neugier, Offenheit, Kreativität und Mut auf dem Land treffen.

Die komplette Studie finden Sie beim Berlin Institut.

Ein Video zur Präsentation der Studienergebnisse ist auf YouTube verfügbar.

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