Digitaler Dorfladen: Tante Enso setzt auf Bürgerbeteiligung - Digitales Bürgernetz

Einkaufen auf dem Land: Rund um die Uhr im Dorfladen mit Tante Enso

#Arbeit 9. Februar 2023

Im digitalen Dorfladen Tante Enso können Kund:innen rund um die Uhr an der Selfcheckout-Kasse bezahlen ©myEnso

Der Lebensmitteleinzelhandel hat sich in den vergangenen Jahrzenten stark verändert. Die Zahl der Discounter nimmt zu, kleine Geschäfte werden immer seltener. Laut einer Studie des Thünen-Instituts für ländliche Räume ist die Anzahl kleinflächiger Angebote mit einer Verkaufsfläche von unter 400 qm zwischen 1990 und 2020 um 87 Prozent zurückgegangen. Darunter leiden vor allem die ländlichen Regionen. Für die großen Einzelhandelsketten sind Standorte mit einem Einzugsbiet mit weniger als 5.000 Personen wenig attraktiv, die kleinen, inhabergeführten Dorfläden finden nur schwer Nachfolger, die das Geschäft übernehmen. Lange Zeit hieß das: Schließt der letzte Mini-Supermarkt vor Ort, ist Einkaufen zu Fuß passé, ohne Bus oder Auto geht nichts mehr.

Aus Tante Emma wird Tante Enso

Eine Lösung für das Problem bieten seit einiger Zeit Supermärkte, die auf Einlasskarten und Selbstbedienungskassen setzen. Ein Beispiel ist das Konzept von Tante Enso. Die Idee dazu hatte ein Start-up aus Bremen. Zunächst wollten die Gründer Thorsten Bausch und Norbert Hegemann regionale Online-Supermärkte etablieren. Doch sie stellten fest, dass sich die Menschen auf dem Land etwas anderes wünschten. Nachdem sie ihr Konzept eine Weile ausprobiert und optimiert hatten, sagten ihnen die Menschen: „Wir glauben, Ihr habt uns missverstanden. Wir wollen einen echten Supermarkt haben.“ So erzählt es Thorsten Bausch in einem Beitrag auf SAT.1 regional. Mit seinem Geschäftspartner entwickelte er daraufhin eine moderne Variante des in die Jahre gekommenen Tante-Emma-Ladens: den digitalen Dorfladen Tante Enso, in dem die Menschen 24h Stunden täglich während der ganzen Woche einkaufen können. Alles, was sie dazu benötigen, ist eine personalisierte Zugangskarte, mit der sie nicht nur den Laden betreten, sondern auch an der Selfcheckout-Kasse bezahlen können. Kameras sollen sicherstellen, dass niemand ohne zu bezahlen den Laden verlässt. Das Sortiment der Tante-Enso-Läden umfasst in der Regel 2.500 bis 3.000 Artikel, damit gibt es nahezu alles, was für den täglichen Bedarf nötig ist. Haben Kunden besondere Wünsche, können sie diese online bestellen und später im Laden abholen. Tante Enso ist an den Online-Supermarkt myEnso angebunden, den Bausch und Hegemann 2017 gegründet haben.

Doppelter Service: digital und persönlich

Anders als andere 24/7-Märkte wie „Emma’s Tag- und Nachtmarkt“, verzichtet Tante Enso nicht vollständig auf Personal vor Ort. In Schnega, einer kleinen Gemeinde in Niedersachsen, leitet zum Beispiel Janina Röhl den im Herbst 2020 eröffneten Tante-Enso-Supermarkt in Teilzeit. Zusammen mit einem kleinen Team kümmert sich Röhl um das Lager und das Büro, füllt Regale auf oder sitzt an der Kasse, die in der Regel an fünf Tagen die Woche mindestens vier Stunden besetzt ist. Da Röhl im Ort aufgewachsen ist und ihre Eltern den früheren Dorfladen führten, kennt sie fast alle, die bei Tante Enso einkaufen. Der persönliche Kontakt macht es gerade älteren Menschen leichter, die Scheu vor den modernen Selfcheckout-Kasse zu verlieren. Gleichzeitig ist Tante Enso für die Senior:innen – aber auch für die anderen Kund:innen – ein Ort, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Im Interview auf myenso.de erzählt Janina Röhl: „So wie der Laden meiner Eltern früher ein Treffpunkt war, so ist auch in den vergangenen zwei Jahren der Tante Enso zum Treffpunkt geworden. Darüber freue ich mich riesig. Und wir werden alles geben, dass das auch so bleibt.“

Außenansicht vom Dorfladen Tante Enso in Schnega
Kommt gut bei den Bewohnern an: Tante Enso in Schnega. ©myEnso

Vom Dorfbewohner zum Teilhaber

Die Verbundenheit der Menschen zu ihrem neuen, digitalen Dorfladen wird auch dadurch gefördert, dass eine Genossenschaft dahintersteckt. Bevor Bausch und Hegemann einen Tante-Enso-Laden eröffnen, muss der Ort mindestens 300 Anteile zeichnen. Tante Enso wird damit zum Gemeinschaftsprojekt: „300 Anteile heißen nicht: einer zeichnet alle, sondern viele Menschen zeichnen viele, um die Idee gemeinsam zu unterstützen“, ist auf der Internetseite des Start-ups zu lesen. Und weiter: „Euer Ort trägt durch sein Bekenntnis und die Genossenschaftsanteile den Mini-Supermarkt mit. So wird jeder durch die Anteilszeichnung auch Teilhaber an seinem lokalen Tante Enso und kann diesen so unterstützen und stärken.“

Die ersten Tante-Enso-Läden eröffneten 2019, zurzeit gibt es 16 Stück, mehr als 50 sind in Planung. Geht es nach den Gründern von Tante Enso, werden noch viele weitere folgen und so ihren Beitrag leisten, die Nahversorgung im ländlichen Raum mithilfe digitaler Technik wieder sicherzustellen.

Sie möchten wissen, wie andere 24/7-Märkte funktionieren? Einen Beitrag über das Konzept von „Emma’s Tag- und Nachtmarkt“ lesen Sie hier.

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