Verstehbahnhof Fürstenberg fördert Bildung und Digitalisierung - Digitales Bürgernetz

Die digitale Zukunft begreifen: im Verstehbahnhof Fürstenberg

#Bildung 28. Juli 2022

Daniel Domscheit-Berg, Vorsitzender des havel:lab e. V., der den Verstehbahnhof betreibt. © Screenshot Deutschland – Land der Ideen

Ein perfekter Ort für neugierige Geister – das ist der Verstehbahnhof in Fürstenberg an der Havel. Im alten Bahnhofsgebäude ist ein Makerspace entstanden: mit einer Werkstatt, einem Produktionsstudio, einem Wohnzimmer, einer großen Küche und einem Raum für Veranstaltungen. „Der Bahnhof ist eines der wichtigsten Projekte in der strukturschwachen Region. Alle Menschen können ihn nutzen. Und zwar kostenlos“, sagt Daniel Domscheit-Berg, Vorsitzender des havel:lab e.V. Der gemeinnützige Verein ist Betreiber des Verstehbahnhofs und besteht aus neun Mitgliedern. Bildung und Digitalisierung im ländlichen Raum sind seine Schwerpunkte, auch in Zukunft. Daran hat sich seit der Gründung des Vereins vor fünf Jahren nichts geändert. „Wir wollen den Rest unseres Lebens in Fürstenberg verbringen. Doch um hier alt werden zu können, müssen wir sicherstellen, dass die Region nicht ausstirbt“, sagt Daniel Domscheit-Berg. Der Computerexperte ist vor elf Jahren mit seiner Familie nach Fürstenberg gezogen. Den Menschen vor Ort eine Perspektive zu bieten ist ihm daher ein wichtiges Anliegen: „Sie brauchen eine gute Bildung, auch zu digitalen Themen, damit sie unabhängig vom Standort sind, hier arbeiten und gutes Geld verdienen können.“ 

„Der Bahnhof ist eines der wichtigsten Projekte in der strukturschwachen Region. Alle Menschen können ihn nutzen. Und zwar kostenlos.

Lokale Cloud für Initiativen und Vereine

Ein wichtiger Baustein dabei: Kindern und Jugendlichen spielerisch die digitale Welt erklären und sie dafür begeistern. Im Verstehbahnhof können sie das Programmieren und den Umgang mit sozialen Medien lernen, Malroboter bauen, Platinen fertigen, Dinge reparieren, Videos und Podcasts produzieren oder elektronische Musikinstrumente löten und anschließend damit musizieren. Lehrerinnen und Lehrer finden dort die perfekte Ausstattung für digitalen Unterricht. Künstlerinnen und Künstler, die in den vergangenen Monaten aus der Ukraine geflohen sind, bieten dort Kunstprojekte an. „Wir sind sehr dynamisch und können kurzfristig reagieren, wenn sich die Umstände ändern, etwa durch die Pandemie oder den Zuzug von Geflüchteten“, so Domscheit-Berg. Im Kontext der Initiative „Fürstenberg hilft!“ haben Aktive im April 2022 zudem einen Umsonstladen am Marktplatz eröffnet, wo gebrauchte Kleidung, Bettwäsche, Geschirr oder Spiele verkauft werden. Und über das Rechenzentrum, das im Bahnhof aufgebaut wurde, laufen viele Dienste. „Schulen können Lernplattformen aufbauen, zivilgesellschaftliche Initiativen haben ihre Serverstruktur bei uns. Außerdem haben wir eine lokale Cloud installiert, die Vereine aus dem Ort nutzen und demnächst auch die Kita“, erzählt Daniel Domscheit-Berg. Sogar die Feuerwehr hat Interesse angemeldet.

Drei Personen stehen in einem Raum mit großen Fenstern und viel technischer Ausrüstung
Der Verstehbahnhof ist offen für alle Nutzerinnen und Nutzer – und das kostenlos. © Screenshot Deutschland - Land der Ideen

Internetzugang für alle Menschen

Während der Pandemie hat der Computerexperte festgestellt, dass viele Menschen in Fürstenberg nicht online sind. „Etwa ein Viertel ist auf Sozialleistungen angewiesen. Sie können sich keinen Internetanschluss leisten oder haben nicht das Datenvolumen, damit die Kinder am Remote-Unterricht mit Videokonferenzen teilnehmen können“, sagt Daniel Domscheit-Berg. Das möchte der Verein ändern. Deshalb soll die Infrastruktur aus dem Bahnhof in die Stadt verlängert und in die Fläche getragen werden. Dann könnten auch Smart-City-Projekte umgesetzt werden. Daniel Domscheit-Berg nennt das den „bedingungslosen Internetzugang für Mensch und Maschine“. Im Herbst 2022 sind die ersten Schritte geplant. Seit Juli 2022 beschäftigt der Verein zudem eine Halbtagskraft. Die ehemalige Lehrerin will in einem Blog all die Geschichten rund um den Bahnhof festhalten und die verschiedenen Projekte dokumentieren. Und sie kümmert sich um die Vernetzung mit anderen Initiativen. „Das ist wichtig, um sich auszutauschen. Aber wir hatten bisher kaum Zeit dafür“, so Daniel Domscheit-Berg.

Vor einer bunten Rückwand stehen fünf Personen auf einer Bühne. Ein schwarz gekleideter Mann hält eine Urkunde.
Daniel Domscheit-Berg und Antje Firus (3. u. 4. v.l.) bei der Preisverleihung in Berlin. Antje Firus engagiert sich seit 2021 beim Verstehbahnhof, hat die Medien AG aufgebaut und ist seit Juli 2022 als Honorarkraft dort tätig. Ausgezeichnet wurden die beiden von Thorsten Dirks, CEO Deutsche Glasfaser, Staatssekretärin Susanne Henckel (BMDV) und Ute Weiland, Geschäftsführerin Deutschland – Land der Ideen (v.l.n.r.).

Mit dem Preis ist eine Hoffnung verbunden

Wie alle anderen im Verein engagiert er sich ehrenamtlich in dem Projekt. Viel Zeit muss er darauf verwenden, Spenden oder Fördergelder einzuwerben. Jeden Monat treibt den Vereinsvorsitzenden die Sorge um, wie er das Geld für die Miete und die Nebenkosten aufbringen soll. „Es ist leicht, Geld zu bekommen, wenn wir eine neue Maschine für die Werkstatt brauchen oder umbauen wollen. Für solche investiven Kosten gibt es Fördergelder und viele Fördertöpfe. Was uns fehlt, ist die strukturelle Förderung, um das Ganze am Laufen zu halten“, sagt Daniel Domscheit-Berg. Deshalb freut ihn besonders, dass der Verstehbahnhof im Juni 2022 als „Digitaler Ort im Land der Ideen“ ausgezeichnet wurde. „Es ist schön, dass er von Dritten gewürdigt wird. Wir bekommen damit eine Sichtbarkeit nach außen.“ Mit dem Preis verbindet er auch die Hoffnung, „mit den politisch Verantwortlichen anders ins Gespräch zu kommen und ihnen zu zeigen, dass wir wichtige Infrastruktur für die Kommune, den Landkreis und das Land bereitstellen. Da müsste doch ein großes Interesse bestehen, diesen Ort zu erhalten und ihn weiterhin für viele Menschen nutzbar zu machen.“ Hier erfahren Sie mehr über den Verstehbahnhof.

Erfahren Sie mehr über den ausgezeichneten digitalen Ort im Land der Ideen: Digitales Leben zum Anfassen – lernen im Verstehbahnhof:

ÜBER DEN WETTBEWERB

Digitale Projekte auf dem Land sichtbar machen und die Köpfe dahinter untereinander vernetzen – das sind die gemeinsamen Ziele von Deutsche Glasfaser und der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“. Daher wurde in diesem Jahr erstmalig der Innovationswettbewerb „Digitale Orte im Land der Ideen” ausgerufen. Aus 200 Einreichungen wurden im Juni zehn Gewinnerprojekte geehrt. Eines davon ist der Verstehbahnhof in Fürstenberg. Nach und nach stellen wir hier alle Preisträger vor. Mehr Informationen zum Wettbewerb – etwa zur Ausschreibung, zur hochkarätigen Jury und den Preisträgern – finden Sie hier.

Artikel Teilen