Netzlehrer Bob Blume über Digitalisierung und Schule - Digitales Bürgernetz

Bildung neu denken: digital, vernetzt, kollaborativ

#Bildung 14. Juni 2022

Bob Blume wurde als Netzlehrer auf Twitter bekannt. © Thomas Clemens

Freude im Herzen und Wut im Bauch – diese Gefühle treiben Bob Blume um, wenn er über Schule in Deutschland nachdenkt. Der Oberstudienrat unterrichtet am Windeck-Gymnasium im baden-württembergischen Bühl die Fächer Deutsch, Englisch und Geschichte. Er brennt für seinen Beruf und schreibt seit zehn Jahren über seine Erfahrungen als Lehrer. „Zunächst habe ich mit dem Bloggen begonnen. Das war für mich eine Form, um drei Dinge miteinander zu verbinden: Erstens das Schreiben. Zweitens das, was mich interessiert: Bildung, Lernen und Unterricht. Und drittens wollte ich mich mit anderen vernetzen. So kam ich auf Twitter“, erzählt Bob Blume.

Digitalisierung verändert das Lernen

Als #Netzlehrer ist er deutschlandweit bekannt geworden. Bob Blume hat auch einen eigenen Podcast und Youtube-Kanal, ist auf Instagram und Tiktok unterwegs. Unter #twitterlehrerzimmer, #unterrichtdigital oder #udigital20 diskutiert er mit Kolleginnen und Kollegen über zeitgemäßes Lernen und tauscht Ideen sowie Materialien für den Unterricht aus. Das Ziel ist, alte Strukturen aufzubrechen. Bob Blume fordert ein Update für Bildung in Deutschland. „So kann es nicht weitergehen. Die Welt hat sich verändert, die Schule nicht. Sie ist noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Das Lernen muss sich grundlegend verändern. Und dabei kann die Digitalisierung unterstützen. Aber sie steht und fällt mit dem Kollegium“, so Bob Blume. Schülerinnen und Schülern erklärt er auf Youtube, welche Merkmale eine Kurzgeschichte hat oder wie eine Interpretation geschrieben wird. Auf die Videos können sie jederzeit zugreifen. Für Kolleginnen und Kollegen stellt er auf Eduki Unterrichtsmaterialien bereit und informiert in seinem Blog, wie sie Plattformen oder Apps im Unterricht nutzen können. Digitale Technologien bieten viele Möglichkeiten: Expertinnen und Experten können zu bestimmten Themen im Unterricht zugeschaltet werden, Schülerinnen und Schüler erzählen Geschichten in einem Blog, reisen mit Augmented Reality ins Weltall oder arbeiten mit Videos und Podcasts.

Das Lernen muss sich grundlegend verändern. Und dabei kann die Digitalisierung unterstützen.

Kreativität und kritisches Denken fördern

Doch beim Thema Digitalisierung stehen Schulen in Deutschland im internationalen Vergleich nicht besonders gut da. Die Möglichkeiten, die digitale Medien und Tools bieten, werden noch viel zu wenig genutzt. Das unterscheidet sich von Schule zu Schule, von Klasse zu Klasse und von Lehrkraft zu Lehrkraft. Die Corona-Pandemie hat die Unterschiede deutlich gemacht. „Ich erlebe gerade zwei Welten. Auf der einen Seite eine riesige, vernetzte Gemeinschaft von innovativen Lehrkräften, die sich in der Corona-Zeit unglaublich gute Konzepte für den Unterricht übergelegt hat. Auf der anderen Seite Lehrkräfte, die viel zu wenig miteinander arbeiten, nicht vernetzt sind und keine Innovationsprozesse angestoßen haben.“ Für Bob Blume ist es aber nicht damit getan, Schulen mit Tablets auszustatten und Schulbücher zu digitalisieren. „Denn damit ist noch keine Unterrichtsqualität gewährleistet. Es geht um Kompetenzen und Fähigkeiten, die im 21. Jahrhundert wichtig sind. Dazu gehören für mich vor allem Kreativität und kritisches Denken“, sagt der 38-Jährige.

Jugendliche sitzen an Tischen mit Bildschirmen und Tastaturen.
Schule muss sich radikal verändern, ist Bob Blume überzeugt. © Adobe Stock

Zeit und Raum spielen keine Rolle

Die größte Veränderung sieht er darin, wie wir in Zukunft lernen: selbstbestimmt, konstruktiv und kollaborativ. „Bisher sieht Unterricht noch so aus, dass alle Schülerinnen und Schüler zur gleichen Zeit am gleichen Ort an den gleichen Inhalten arbeiten. In Zukunft werden Raum, Zeit und Ort kaum noch eine Rolle spielen. Und die Kinder müssen nicht mehr im Gleichschritt durch eine vorgefertigte Stoffsammlung hetzen“, erklärt der Oberstudienrat. Die Schülerinnen und Schüler sollen selbst bestimmen können, in welchen Formaten sie schreiben, lesen, rechnen oder miteinander kommunizieren wollen. „Wenn ein Schüler nicht weiterkommt, kann er einen anderen zum Beispiel über WhatsApp anschreiben: ‚Kannst du mir helfen?‘ Und er bekommt dann ein Video mit einer Erklärung zugeschickt“, so Bob Blume.

Kooperation und Vernetzung

Für solche Veränderungen braucht es eine entsprechende Haltung in den Lehrerzimmern. „Möchte ich mit anderen Lehrkräften zusammenarbeiten? Möchte ich meine Materialien teilen? Möchte ich eine gemeinsame Schulentwicklung machen? Bin ich der Meinung, dass sich Unterricht verändern muss? Oder bleibe ich dabei, wie ich es immer gemacht habe?“, sagt Bob Blume. Damit sich etwas ändern kann, brauchen die Schulen auch die Zeit, um Veränderungen umzusetzen. Doch in den vergangenen Jahren haben sie immer neue Aufgaben dazubekommen. Schule soll alles richten: Inklusion, Digitalisierung, die Integration von geflüchteten Kindern aus Syrien und nun aus der Ukraine. „Die Politik fordert immer mehr. Aber es darf keine Klassenarbeit wegfallen und es wird nichts am Stoff geändert. Stattdessen kommt nur immer mehr dazu“, kritisiert Bob Blume.  Er benennt aber nicht nur die Probleme, sondern zeigt auch Lösungen auf, wie sich etwas ändern kann – insbesondere in seinem jüngsten Buch.

Zur Person

Bob Blume ist in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen. Er studierte in Freiburg Germanistik, Anglistik und Geschichte. Im April 2022 wurde er als Blogger des Jahres ausgezeichnet und im Mai 2022 ist sein Buch „10 Dinge, die ich an der Schule hasse und wie wir das ändern können“ erschienen. Mehr erfahren

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