Dr. Benedikt Krams, Managing Partner der Heidelberger Match Rider UG. Das Unternehmen hat eine Software entwickelt, mit der Bürgerbusvereine ihre Fahrpläne einfach digitalisieren können. © Screenshot/ Deutschland – Land der Ideen
Wann fährt hier eigentlich der nächste Bus? Für eine Antwort will kaum jemand Fahrpläne wälzen oder extra zur nächsten Haltestelle laufen. Die Elektronische Fahrplanauskunft hat sich als bequeme Alternative daher längst durchgesetzt. Bei Bürgerbusangeboten sah das allerdings lange anders aus: Die Vereine kündigten ihre Strecken und Fahrzeiten oft nur im Amtsblatt oder über Flyer und Plakate an, wo sie vor allem für Eingeweihte auffindbar waren. Hier setzt die Idee von Match Rider an.
„Dank unserer Technik fahren gemeinschaftlich getragene Bürgerbusse und öffentlicher Nahverkehr nun Hand in Hand.“
Dr. Benedikt Krams
„Im Rahmen eines Forschungsprojekts mit dem Bundesverkehrsministerium, der Universität Stuttgart und der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg haben wir die Software Match Rider Fahrplantool entwickelt. Darüber können Bürgerbusvereine ihre Fahrpläne selbst digitalisieren. Der Clou ist, dass die Software anders als die Expertensysteme des ÖPNV für diese Zielgruppe perfekt nutzbar ist“, sagt Dr. Benedikt Krams, Managing Partner der Heidelberger Match Rider UG. Über das Web-Tool können die Ehrenamtlichen Haltestellen anlegen, zu Linien verbinden, Abfahrtszeiten und Nutzungshinweise einpflegen. Anschließend wird das Fahrangebot über eine zentrale Datenplattform allen Partnern zur Verfügung gestellt. Bürgerinnen und Bürger können die gewünschte Strecke dadurch einfach über die App ihres Verkehrsverbunds oder zum Beispiel den DB Navigator suchen – und bekommen neben den klassischen Stadt- und Regionalbussen auch die Bürgerbus-Linien ausgewiesen. „Dank unserer Technik fahren gemeinschaftlich getragene Bürgerbusse und öffentlicher Nahverkehr nun Hand in Hand“, fasst Krams zusammen. Er hat auch gleich ein Beispiel parat: „Wenn ich von Stuttgart nach Wendlingen fahren möchte, um jemanden zu besuchen, hätte die Fahrplanauskunft noch vor einem Jahr am Bahnhof Wendlingen geendet. Jetzt sehe ich in der App: In Wendlingen kann ich für die letzte Meile noch in den Bürgerbus umsteigen.“
Auch im badischen Eppingen, einer Kleinstadt mit rund 22.000 Einwohnerinnen und Einwohnern im Landkreis Heilbronn, befördern zwei Bürgerbusse die Menschen von A nach B. Regelmäßig hinterm Steuer sitzt Lothar Schlesinger. 2019 gründete er mit einigen Mitstreitern und in Partnerschaft mit der Stadt den BürgerBus-Verein Eppingen e.V., bereits im Jahr darauf drehte der kleine weiße Bürgerbus seine ersten Runden. „Das hat so gut eingeschlagen, dass wir am ersten Tag mehr als 100 Fahrgäste hatten“, erinnert sich Schlesinger. Mittlerweile lenken 33 ehrenamtliche Fahrer und Fahrerinnen an sechs Tagen die Woche die Bürgerbusse mit Platz für jeweils bis zu acht Mitfahrende durch Eppingen und seine Stadtteile – im 1. Halbjahr 2022 beförderten sie so durchschnittlich 1.000 Menschen im Monat. „Vor allem, um Einkaufsmöglichkeiten anzusteuern, mit der S-Bahn weiterzufahren oder zum Arzt zu kommen, ist das digitalisierte Angebot für Leute, die nicht selbst mobil sind, eine große Erleichterung und die ideale Lösung für den innerstädtischen Nahverkehr“, heißt es auch von städtischer Seite.
BürgerBus-Geschäftsführer Lothar Schlesinger ist besonders stolz auf die Möglichkeit, auch Menschen im Rollstuhl mitzunehmen. Die Haltestellen sind so gelegen, dass sie selbst für weniger mobile Personen unkompliziert erreichbar sind; außerdem sind die Busse auf die S-Bahn abgestimmt, um lange Warte- und Umsteigzeiten zu vermeiden. Seit die Fahrpläne der Bürgerbusse über die Software Fahrplantool digital eingepflegt werden, erleichtert das die zuverlässige und spontane Planung eines Reisewegs. Das Angebot ist so für noch mehr Menschen sicht- und nutzbar – etwa für die Besucherinnen und Besucher von außerhalb, die mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Gartenschau 2022 nach Eppingen reisen. Das trägt auch zu einer verbesserten Lebensqualität im ländlichen Raum bei. „Mobilität ist ein Grundbedürfnis. Sobald ich meine Mobilitätsoptionen erweitern kann, ist das auch eine Verbesserung meiner Lebensqualität“, sagt Dr. Benedikt Krams von Match Rider. Rund die Hälfte der Bürgerbusvereine in Baden-Württemberg, schätzt Krams, nutzten die Software bereits, auch anderswo – vor allem im ländlichen Nordrhein-Westfalen und in Bayern – lassen sich Bürgerbusvereine durch das Tool bei der Digitalisierung unterstützen.
In den letzten Jahren hat sich die Match Rider UG dadurch unter anderem bei den Gemeinden als Ansprechpartnerin für Digitalisierungsfragen und neue Mobilitätslösungen etabliert. Mit der Auszeichnung als „Digitaler Ort im Land der Ideen“, die Benedikt Krams, Katina Schneider und Lothar Schlesinger auf der Bühne in Berlin gemeinsam entgegennahmen, wurde dieses Engagement für zukunftssichere Bürgerbusverkehre nun gewürdigt. Für Krams ein Grund zur Freude, wie er berichtet: „Ich habe mich schon in meiner Doktorarbeit mit dem Thema Bürgerbusse befasst, auch bei Match Rider hat uns immer umgetrieben, wie wir die Frage nach der Zukunft der ländlichen Mobilität lösen.“ Doch die Auszeichnung ist auch ein Ansporn: Die Aufmerksamkeit für das vermeintliche Nischenthema will das Unternehmen direkt nutzen, um die Bürgerbusse für noch mehr Menschen attraktiv zu machen. Digital vermittelter On-Demand-Verkehr lautet das Stichwort – ein deutlicher Schritt hin zur Flexibilisierung, verglichen mit den festen Routen und festen Fahrplänen, mit denen Bürgerbusse nicht nur in Eppingen meistens unterwegs sind. „Die MatchRiderGO App wird derzeit für die Vermittlung von privaten Mitfahrgelegenheiten genutzt. In Zukunft sollen die Menschen auch das Bürgerrufmobil darüber anfordern können.“ Derzeit bereite man technisch alles vor, um die Bürgerrufmobile ins Angebot zu integrieren, berichtet Krams: „Wenn wir die Flexibilisierung und die On-Demand-Verkehre webbasiert umsetzen, dann erreichen wir eine viel größere Zielgruppe, etwa Jugendliche, die zur Musikschule, zum Sport oder zum Bahnhof wollen. Das ist ein weiterer Hebel, um die Mobilität zu verbessern, die soziale Teilhabe zu ermöglichen und den Klimaschutz voranzubringen“.
Erfahren Sie mehr über den ausgezeichneten digitalen Ort im Land der Ideen: Digitalisierung macht Bürgerbusse zukunftsfest.
Digitale Projekte auf dem Land sichtbar machen und die Köpfe dahinter untereinander vernetzen – das sind die gemeinsamen Ziele von Deutsche Glasfaser und der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“. Daher wurde in diesem Jahr erstmalig der Innovationswettbewerb „Digitale Orte im Land der Ideen” ausgerufen. Aus 200 Einreichungen wurden im Juni die Gewinnerprojekte geehrt. Nach und nach werden wir hier alle Preisträger vorstellen. Mehr Informationen zum Wettbewerb – etwa zur Ausschreibung, zur hochkarätigen Jury und den Preisträgern – finden Sie hier.