Vialytics macht beim Radfahren alle vier Meter ein Bild und erfasst so den gesamten Radweg. © Vialytics
Im baden-württembergischen Nagold radeln Mitarbeiter der Stadt das komplette Radwegenetz ab. Mit dabei: ein Handy am Lenker, auf dem die Anwendung Vialytics läuft. Sie kann aber noch viel mehr als Radwege visuell zu erfassen.
Streckenkontrolle mit Stift und Papier war gestern. Seit 2018 gibt es das Vialytics-System, das alle Arbeitsabläufe, die für die Verwaltung der Straßeninfrastruktur notwendig sind, in einem intelligenten Straßenmanagementsystem abbildet. „Mit Vialytics machen sich Kommunen fit für die Zukunft. Unsere Partnerkommunen berichten von bis zu 50 Prozent Zeitersparnis bei der Streckenkontrolle im Vergleich zur manuellen Papierliste – damit bleibt mehr Zeit für operative Aufgaben, um für sichere Straßen zu sorgen“, erläutert Danilo Jovicic-Albrecht, Gründer von Vialytics.
Für die Zustandserfassung von Straßen und Radwegen werden beim Abfahren der Straßen im Abstand von vier Metern automatisch Bilder vom Straßenraum per Smartphone-App gemacht und anschließend im Vialytics-Web-System am Rechner weiterverarbeitet. Die vom Unternehmen selbst entwickelte künstliche Intelligenz analysiert alle Bilddaten objektiv in 15 unterschiedlichen Schadenskategorien und generiert ein digitales Abbild des Straßennetzes. Alle Kfz-Kennzeichen und Gesichter werden dabei datenschutzkonform verpixelt.
Eine der Kommunen, die Vialytics im Einsatz haben, ist Nagold, eine Kleinstadt mit rund 22.800 Einwohner:innen im Nordschwarzwald. Das kommunale Straßennetz umfasst 180 Kilometer, zusätzlich verantworten die Bauämter den Zustand der Radwege mit einer Länge von 90 Kilometern.
„Wir nutzen Vialytics seit 2020, um den Zustand unserer Straßen zu erfassen. Zweimal im Jahr fahren wir alle Straßen ab und haben so mittlerweile einen sehr guten Datenbestand im System,“ erklärt Walter Saar, Sachgebietsleiter Straßen, Wege, Plätze und Straßenbeleuchtung bei der Stadtverwaltung Nagold. „Für die mittelfristige Haushaltsplanung, die natürlich auch die Budgets für Straßensanierungen umfasst, ist immer ein Gemeinderatsbeschluss nötig, bei dem verschiedene Meinungen unter einen Hut gebracht werden müssen. Vialytics unterstützt uns mit objektiven Daten dabei, gemeinsame Entscheidungen zu treffen.“
In der Stadtverwaltung ist man begeistert von der Bildqualität, setzt das System nicht nur zur Erfassung von Straßen, sondern auch zum Fotografieren von Schachtdeckeln und Verkehrsschildern ein. Im Herbst 2022 kam dann die Befahrung der Radwege hinzu, nachdem Vialytics das System entsprechend weiterentwickelt hatte.
Walter Saar ist einige der 90 Kilometer Radwege im Stadtgebiet selbst abgefahren. Dazu wird die Handykamera am Lenker befestigt, alle vier Meter schießt sie ein Foto. „Vom Zustand der Radwege gab es vorher kein klares Bild, obwohl es auch hier nötig ist, für die Sicherheit der Bürger rechtzeitig Schlaglöcher und sonstige Schäden zu erkennen,“ berichtet er. „Das System erleichtert uns die Arbeit enorm. Man muss nicht dauernd anhalten, Fotos schießen, sich Notizen machen. Man radelt einfach und den Rest erledigt die Anwendung.“
Die macht für Walter Saar dann auch direkt die Planung und generiert eine Excel-Tabelle, die der Sachgebietsleiter an die Kolleg:innen im Tiefbau übermittelt. „Was mir besonders hilft, ist die integrierte Wirtschaftlichkeitsrechnung. Wenn ich meine Kosten eingebe, erstellt das System automatisch eine Kosten-Nutzen-Analyse – das ist für mich eine hervorragende Grundlage für die Gespräche im Gemeinderat.“
Entstanden ist Vialytics vor fünf Jahren, als Danilo Jovicic-Albrecht gemeinsam mit seinen Partnern Patrick Glaser und Achim Hoth in Gesprächen mit Tiefbauämtern in der Region Stuttgart herausfand, dass es noch keine digitalen Prozesse für die Verwaltung der Straßeninfrastruktur gab. „Dabei ist das Straßennetz das größte Vermögen in vielen Kommunen und zentral für eine funktionierende Infrastruktur und Wirtschaft. Der Fachkräftemangel wird den Bedarf nach einem effizienten Werkzeug, das Kommunen die Verkehrssicherung erleichtert und Zeit im Arbeitsalltag spart, weiter erhöhen“, gibt Danilo Jovicic-Albrecht zu bedenken. Die Nachfrage nach Probefahrten sei aktuell enorm. „Außerdem entwickeln wir das System in Zusammenarbeit mit unseren Partnerkommunen stetig weiter. Die KI erfasst neben Straßenschäden auch Objekte im Straßenraum. Da gibt es viele weitere Anwendungsmöglichkeiten, die wir für die Kommunen ergründen.“
Und was kommt in Nagold als nächstes? „Wir wollen demnächst alle Treppenabhänge mit dem Tool erfassen. Das wird bisher händisch gemacht, was aber viel Erfahrung erfordert“, so Walter Saar. „Mit dem Tool kann ich so gut wie jeden zu einer Treppe schicken. Die Qualität der Begutachtung wird damit immer gleich hoch sein, egal wer die Fotos vor Ort macht.“